Ich dachte, ich fahre heute mit Moriah wegen eines chronischen Schnupfens und Appetitlosigkeit in die Tierklinik. Doch dort lernte ich, dass uns ein Lungentumor dorthin geführt hatte. Überlebenschance: null.
Am Pfingstwochenende fiel mir auf, dass Moriahs Nase wieder etwas verstopft war und sie kurzatmig schien. Zudem stellte sie am Sonntagabend das Fressen ein. Als am Montagabend nicht einmal roher Thunfisch sie zu locken vermochte, wusste ich, dass meine Katze ernsthaft krank sein muss. Ich war weit davon entfernt zu ahnen, wie krank.
Ich war eigentlich ziemlich sicher, dass wir heute in die Tierklinik fahren, sie wieder Tabletten gegen den blöden Schnupfen verschrieben bekommt, und in zwei, drei Tagen alles wieder gut ist.
Doch so war es nicht.
Als ich in der Klinik ankam und uns anmelden wollte, schrie und weinte Moriah plötzlich in zuvor von ihr ungehörten Tonlagen aus der Transportbox heraus. Alle Corona-Schutzvorgaben ignorierend schmiss ich mich mitten im Empfangsraum auf den Boden und riss das Gitter von der Box. Meine erstickende Katze klammerte sich an meine Arme und liess sich bereitwillig herausziehen. Ich zog meine Schutzmaske vom Gesicht und nutzte sie, Moriah all den Schnodder und Speichel von Nase und Schnauze zu wischen, damit sie Luft bekam.
Inzwischen hatten wir genug Aufmerksamkeit erregt, dass eine Pflegerin herbeigeeilt kam, um Moriah sofort in eine Sauerstoffstation zu setzen. Mich bei den Umstehenden für die Sauerei auf dem Boden entschuldigend, versuchte ich meines Schockzustands Herrin zu werden. Was mir so semi gelang.
Zwei Stunden später war klar, dass Moriahs chronischer Schnupfen ihr geringstes Problem war. Sie hatte Wasser in der Lunge. Reichlich. Und Luft im Magen. Auch reichlich. Sowas kann Schnupfen nicht auslösen. Die Tierärztin erklärte mir sehr geduldig und ernst, was die Ursachen für Moriahs Beschwerden sein könnten und welche Optionen es gibt. Während des Gesprächs wurde ich immer desillusionierter. Es gab eigentlich nur noch eine Option.
Schliesslich sagte sie, wäre das ihre Katze, würde sie sie erlösen. Ich sah Moriah mit Tränen in den Augen in ihrer Sauerstoffstation an und wusste, dass die Tierärztin recht hatte. Ich nickte. Sie fragte noch, ob ich dabei sein wolle. Natürlich.
Also liess ich mein zauberhaftes, todkrankes Mörchen schwersten Herzens heute kurz vor 18 Uhr gehen.
Moriah, du unfassbar mutige und gütige Katze: Was haben wir alles zusammen erlebt. Am 22.12.2012 halfen mir liebe Freundinnen, dich von Frankfurt, wo du aus Cadiz kommend gelandet warst, im Auto nach Zürich zu fahren, weil ich mir die lange Autofahrt mitten in der Nacht im tiefsten Winter allein nicht zutraute. Mein innigster Dank gilt euch für immer, liebe Anja und Petra!
Hier angekommen, zeigte sich, dass du – anders als in der Vermittlung deklariert – keineswegs katzensozial und menschenpanisch warst. Sondern genau anders herum: Mit meiner Existenz hattest du nach kürzester Zeit kein Problem mehr, aber igitt: andere Katzen!
Du lebtest deswegen die ersten Tage in panischer Angst vor den anderen Katzen hier – auch nur schon durch die Gittertür diese hörend und riechend. Schnell war mir klar, dass wir erneut die weise und planvolle Unterstützung unserer bewährten Katzenverhaltenstherapeutin Christine Hauschild brauchten. Ein Jahr gab ich uns Zeit, deine Katzensozialisierung zu schaffen – sonst müsste ich dich allein weitervermitteln.
Leicht wars nicht… Monatelang Gittertür, Klickertraining, Videoprotokolle, Training, Training, Training – leicht wars wirklich nicht. Aber wir habens innerhalb eines Jahres geschafft. Dir und deiner Kontrahentin Shakti wurde sogar Christines grossartiges Buch «Katzenzusammenführung mit Herz und Verstand» gewidmet.
Und ich habe dabei wiedermal irre viel über euch zauberhafte Wesen gelernt.
Du bist nur rund zehn Jahre alt geworden. Doch ich hoffe, ich konnte dir den grössten Teil deines Lebens glücklich gestalten.
Meine wundervolle, tapfere «stray cat who lived in an abandoned empty lot not far from the ocean in the city of Chiclana, province of Cadiz. Where most of the other cats were poisoned by our neighbours» wie es unter anderem im Begleitbrief zu deiner Vermittlung stand und aus dem ich weiss, was über deine schreckliche Vergangenheit bekannt ist: Ich bin sicher, du weisst, dass ich dich mehr liebe als ich in Worte zu fassen vermag.
Moriah, meine tapfere Schöne, du bist nicht fort – nur woanders. Grüss mir die anderen Sternchen und leuchtet für uns.
Du fehlst.