Hier also wie kürzlich „angedroht“ 😉 aus aktuellem (naja. Fast aktuellem – so aktuell ist man, wenn man printgebunden publiziert 😉 ) Anlass eine Glosse zum Täschligate von US-Talkmasterin Oprah Winfrey kürzlich in Zürich.
Noch alle Taschen im Schrank?
Kürzlich war ich ein bisschen sprachlos – und naiv. Ich war noch nie auf die Idee gekommen, dass man für eine Handtasche 35’000 Franken ausgeben kann. Also zumindest theoretisch kann man. Wie die Welt inzwischen weiss, konnte US-Talkmasterin und Milliardärin Oprah Winfrey nicht. In einem TV-Interview erzählte die Afroamerikanerin, sie sei in einer Boutique in Zürich rassistisch behandelt worden. Die Verkäuferin habe sich geweigert, ihr eine Tasche aus Krokodilleder zu zeigen. Die könne sie sich sowieso nicht leisten.
Sollte sich das wie geschildert zugetragen haben, wäre das in der Tat kein schlauer Schachzug der umsatzbeteiligten Boutique-Angestellten gewesen. Ihr allfälliges verkäuferisches Unvermögen jedoch mit Rassismus gleichzusetzen ist etwa so, als wenn mir ein Busfahrer vor der Nase wegfährt und ich ihm Frauenhass unterstelle, nur weil ich zufällig weiblich bin. Oder noch schlimmer: Er fand mich zu dick. Oder zu gross. Wahlweise auch zu klein. Auf jeden Fall hat er Vorurteile, dieser Sexist.
Kaum hatte Frau Winfrey das Wort «rassistisch» ausgesprochen, ging denn auch ein Aufschrei durch die Medien. Die halbe Welt diskutierte in der Folge, wie schlimm es in der Schweiz mit der Fremdenfeindlichkeit stehe. Von «den rassistischen Schweizern», «Skandal» und «Apartheid» war die Rede. Manch ein eifriger Auslandredaktor sah im «Täschligate» gar klare Parallelen zum Badiverbot für Asylbewerber in Bremgarten: Einer Milliardärin einen relativ überflüssigen Luxusartikel vorzuenthalten ist in manchem Weltbild offenbar mindestens so schlimm, wie Flüchtlingen den Aufenthalt an öffentlichen Orten zu verbieten. So mancher aufrechte Rassismusnichtbefürworter bei Twitter oder Facebook forderte entsprechend rigoros die sofortige Entlassung der fehlbaren Boutique-Angestellten. Den Reaktionen nach zu urteilen, hätte der eine oder andere am liebsten gleich ihre Kreuzigung verlangt.
Als sich endlich mal jemand erbarmte, die Beschuldigte nach ihrer Version des Tathergangs zu fragen, relativierte sich der Rassismusvorwurf gegen die Verkäuferin im Speziellen und gegen den Schweizer im Allgemeinen allerdings: Erstens ist die Verkäuferin gar keine Schweizerin, sondern Italienerin. Aber die armen Schweizer müssen das jetzt ausbaden. Gut, wer sonst? Asylbewerber dürfen ja nicht.
Zweitens entpuppte sich das Ganze eher als verletzte Eitelkeit einer US-Berühmtheit, die in Zürich nicht erkannt worden war. Dabei habe sie bewusst ein Donna-Karan-Outfit gewählt und sich «sogar» die Haare gewaschen, wie sie in einem Zeitungs-Interview betonte, um nicht für «irgendeine Obdachlose» gehalten zu werden. Endlich weiss ich, warum mir alle Welt dauernd eine Notschlafstelle anbietet, wenn ich ausnahmsweise nicht im Designerkostüm schlecht frisiert durch Zürich laufe.
Empörte Kommentatoren hielten Frau Winfreys Wahrnehmung der Lage jedoch für massentauglich und bestätigten, Edelboutiquen-Verkäuferinnen seien ja bekanntermassen unerträgliche Snobs. Interessant, wie viele Menschen sich offenbar gewohnheitsmässig in Läden tummeln, die 35’000 Franken teure Taschen feilbieten. Eine vermeidbare Erfahrung, würde man meinen. Klar: Rassismus geht gar nicht. Aber die Vertreterinnen einer ganzen Berufsgruppe pauschal zu verurteilen wird ja wohl noch erlaubt sein.
Dank «Täschligate» konnte man also ganz schön viel lernen. Und letztlich haben wir ja noch mal Glück gehabt: Man stelle sich vor, Frau Winfrey hätte mit ungewaschenen Haaren Einlass in die Bremgarter Badeanstalt verlangt.
Erschienen in: Beobachter Nr. 17/2013
Und versprochen: Den Rest des Wochenendes halte ich jetzt mal die Klappe 😀 Will euch ja nicht nerven 😦