Heute ist es zwei Jahre her, dass ich grumpy old Bambibärchen LouLou auf ihre letzte Reise begleiten musste.
LouLou kam am 22. Januar 2010 als 18-jährige Katzenomi «notfallmässig» zu mir, weil sie in ihrem alten Zuhause von 8 anderen Katzen aufs Heftigste gemobbt wurde. Zunächst war ich zuversichtlich, dass sie schnell begreifen würde, dass ihr hier nichts mehr passiert und ihr keiner Böses will. Doch nachdem sie sich wochenlang weigerte, meinen Schreibtisch zu verlassen, begriff ich, dass wir professionelle Hilfe brauchten. So fand ich zur Tierpsychologie.
In Memoriam:
Ratlos blickt Katze LouLou auf das Stöckchen, das ich vor ihr hin- und herbewege. Dann hebt sie den Blick und schaut mich fragend an. Ich wedle beharrlich mit dem Stöckchen.
Die Katze starrt wieder auf das Stöckchen und scheint nachzudenken.
LouLou kam nach ein paar verstörenden Erlebnissen zu mir und lebt nun seit bald drei Monaten auf meinem Schreibtisch. Da sie bislang keine Anstalten machte, ihn je wieder zu verlassen, habe ich mir inzwischen tierpsychologischen Rat geholt, der unter anderem auf diese Stöckchenübungen hinauslief.
Betont fröhlich strahle ich LouLou also an und versuche sie zum Mitmachen zu bewegen: «Schnuffelchen, guck mal da: ein Stöckchen. Fang das Stöckchen, komm.» Doch die 18-jährige Katze zeigt sich nicht wirklich kooperativ: Die Situation ist seit etwas mehr als 30 Minuten unverändert.
Ich wedle tapfer weiter mit meinem blöden Stöckchen, die ersten Anzeichen einer Sehnenscheidenentzündung machen sich schmerzhaft bemerkbar.
Da geschieht das Wunder: LouLou hebt zaghaft die Pfote Richtung Stöckchen.
Schnell gebe ich ihr ein Leckerchen und freue mich, indem ich ganz leise durchs Zimmer hüpfe – denn was sich für Aussenstehende ziemlich ereignisarm anhören mag, ist für uns eine kleine Sensation.
Als ich vor rund zehn Jahren zur Überzeugung gelangte, mein Lebenswandel sei nun seriös und beständig genug, um mich in der verantwortungsvollen Rolle als Katzenhalterin zu versuchen, ahnte ich nicht, worauf ich mich einliess. Obwohl ich mit vier Katzen aufgewachsen bin. Doch irgendjemand muss meine Kindheitserinnerungen manipuliert haben.
Schon eine seelisch unversehrte Katze ist ja nicht unbedingt als «psychologisch unauffällig» einzustufen. So kennen Katzen bekanntlich Mittel und Wege, ihren Bedürfnissen Nachdruck zu verleihen, die zumindest auf eine psychoterroristische Grundveranlagung schliessen lassen. Als zum Beispiel mein gemütstechnisch völlig intakter Kater Sahib vor einigen Jahren der Meinung war, ich tät ihn vernachlässigen, brachte er seine Sichtweise zum Ausdruck, indem er anfing, in meine Schuhe zu pinkeln. Aber nur in meine Lieblingsschuhe. Da ich seinen zarten Wink jedoch zunächst nicht verstand, sondern einfach meine Schuhe in einem Schrank verstaute, wurde er deutlicher: Eines morgens pinkelte er mir auf dem Kopfkissen in die Haare. Da wusste ich: Oha – dieser Kater möchte mir etwas mitteilen.
Damals hatte ich das erste Mal Kontakt mit einem Katzenflüsterer, der nach einem längeren Gespräch über unsere Lebensumstände zum Schluss kam, dass ich mehr Zeit mit dem Kater verbringen solle. Ich schraubte also meine ausserhäuslichen Sozialkontakte auf ein nahezu autistisches Mass herunter und siehe: Sahib benutzte wieder brav das Katzenklo.
Die Seele einer Katze ist ein zartes Mobile mit zahlreichen Nebensträngen und filigranen Verästelungen: Wenn man aus Versehen irgendwo an eine heikle Stelle tippt, macht es womöglich schon bald an ganz anderer Stelle «plopp» – und schon hat einem die Katze in die Küche gekackt. Das Gute daran: Diese feinstofflichen Mechanismen funktionieren auch umgekehrt in die positive Richtung.
Seit ich nun jedoch auch einige misshandelte und traumatisierte Katzen aufgenommen habe, ist mit «gesundem Menschenverstand» allein gar nichts mehr zu wollen. Also lese ich Bücher über Katzenpsychologie, habe Termine mit Tierheilpraktikern, wedle brav jeden Tag wie verordnet mit Stöckchen, tausche mich in Katzenforen aus und habe mich ein bisschen über Homöopathie und Bachblüten schlau gemacht. Kurz: Man kann Katzenhaltung problemlos als Wissenschaft betreiben.
Und auch wenn ich manchmal denke: Eigentlich wollte ich doch nur Haustiere, fing ich fast an zu heulen vor Glück, als meine Fass-mich-nicht-an-Katze Shakti nach anderthalb Jahren plötzlich zum Schmusemonster mutierte oder als Sofakatze Mathilde nach drei Monaten Couch-Dasein ihren Hintern endlich vom Polster hob, um mit den anderen Katzen durch die Wohnung zu toben, als wäre es nie anders gewesen.
Und so übe ich weiter mit Schreibtischkatze LouLou Stöckchen hauen. Auch wenn LouLou mich dabei jeweils ansieht, als wollte sie sagen: Armer Mensch – was musstest du nur Schreckliches erleiden, dass du diesen schlimmen Stöckchen-Tick hast?
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Gerade als LouLou anfing, ihre Ängste endgültig abzulegen und endlich die Welt zu erkunden, baute sie gesundheitlich plötzlich radikal ab. Wir konnten nichts mehr für sie tun – am 9. Mai 2011 liess ich sie gehen.
Und Omar wäre heute 24 Jahre alt geworden.
Omar und LouLou – ihr seid nicht fort, nur woanders ❤
Iwönnsche, dass hast du so schön geschrieben, dass ich eine Gänsehaut rauf und runter habe und ein paar Tränen weg blinzeln musste. LouLou hat ihre letzten Tage noch genießen dürfen und Omar – er ist ein unbeschreiblich toller Kater. ❤ ❤ ❤
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Danke dir ❤ Gerade, da sich so vieles von LouLous Sein hier mit Moriah zu wiederholen scheint, denke ich natürlich besonders oft an grumpy old Bambibärchen ❤ – ich hätte ihr so sehr gewünscht, dass sie ihre Ängste für immer hinter sich lassen kann – aber doch nicht, indem sie "einfach" stibt :_(
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So schön und voller Liebe geschrieben! ❤
LouLou und Omar haben bei Dir ihr Glück gefunden – und durften geliebt und umsorgt ihr Leben genießen. Und dort, wo sie jetzt sind, werden sie voller Liebe von Dir erzählen! ❤
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❤ Das ist ein sehr schöner Gedanke ❤ Ich vermisse sie so.
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Wie die Zeit rast – 2 Jahre ist das her? Auch wenn es scheinbar zu früh war, so hat LouLou wenigstens noch erleben dürfen was es heisst, dass man sich um sie kümmert, ihre Bedürfnisse ernst nimmt. Ach was heisst kümmern – liebt! Bedingungslos, mit all ihren Macken (die sie verständlicherweise von ihren Erfahrungen davon trug).
Und Omar… so ein stolzes Alter! So ein schönes Leben bei einer so liebevollen Dosine ❤ Das ist nicht vielen vergönnt. Ich bin mir sicher, er prahlt jetzt auf der anderen Seite der Regenbogenbrücke damit, wie schön sein Leben inmitten lauter Mädels so war 🙂
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Danke dir auch ❤ Ach, ich hoffe, LouLou wusste/weiss, wie sehr ich sie liebe – bei einer dauerseparierten Katze hat man halt immer das Gefühl, ihr nicht gerecht geworden zu sein 😦 Jetzt ist sie wieder die Freigänger-Königin, die sie im Herzen immer war ❤
Und Omar – ja: Unser Hahn im Korb 😀 Aber er hatte damals ja auch seinen "Bruder" Sahib so sehr geliebt – ich stelle mir vor, dass die beiden nun wieder zusammen toben und aufeinander rumliegen, wie sie es all die Jahre hier taten ❤
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Iwon, du gibst deinen Fellnasen alles was nur geht. Du wirst ihnen dadurch immer gerecht, weil du nichts unversucht lässt. Wie haben wir gesagt? Fehler werden gemacht, sind aber entschuldbar, wenn wir sie eingestehen und aus ihnen lernen. Aber es wird auch immer Katzen geben, gequälte, traumatisierte, die einfach nur glücklich sind, wenn sie liebevoll umsorgt werden und allein für sich sein dürfen. Ich weiß, du gibst nie auf, aber du kannst ab einem gewissen Punkt auch „los lassen“. Du hast einfach einen wunderbaren Draht zu allen Fellnasen und ein verdammt großes Herz. Schön, dass es dich gibt ❤ ❤ ❤
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Die zwei 😦 Du hast das so lieb geschrieben, und Loulou hat jemanden gefunden der sich um sie bemüht hat, der ihr gezeigt hat was liebe ist – dich ❤
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❤ ❤ Ihre Vorgänger-Dosine liebte ja LouLou schon auch sehr – ZU sehr. Konnte nicht loslassen, als sie es hätte tun müssen 😦 LouLous Geschichte zeigt einmal mehr: Man kann jemanden auch "kaputtlieben" :_(
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