Heute morgen musste ich mit Katze Shakti zur Gebisssanierung zum Tierarzt. Es geht uns gut. Ich meine: uns beiden. Das war nach Tierarztbesuchen nicht immer so.
Früher, wenn ich Shakti in eine Transporttasche packen musste, ging das nicht ohne Blutvergiessen. Mein Blut wohlgemerkt. Das lief jeweils etwa so ab:
Meine Katze Shakti schätzt es nicht, hochgehoben zu werden. Normalerweise respektiere ich das. Aber wenn ich sie in eine Transportkiste setzen muss, geht es nunmal nicht anders. Zumal sie Transportkisten noch mehr hasst, als hochgehoben zu werden, und daher im Leben nicht freiwillig in so ein Ding reinlaufen würde. Den ersten Tierarzttermin hatte ich denn auch absagen müssen: Ich bekam die Katze einfach nicht transportfähig. Also schickte mir der Tierarzt vor dem zweiten Termin eine Beruhigungstablette, auf dass ihr Widerstand auf ein brechbares Mass reduziert werde. Die Katze ist aber nicht doof – als ich am fraglichen Tag mit der Pille ankam, merkte sie sofort, dass da was läuft.
Da stand ich nun mit meiner blöden Tablette vor einer finster blickenden Katze, die beschlossen hatte, das Teil unter gar keinen Umständen zu schlucken. Der Tierarzttermin rückte unerbittlich näher. Ich überdachte Alternativstrategien: Trichter? Durchs Nasenloch hochschieben? Ins Ohr werfen? Als die Zeit langsam richtig knapp wurde, besann ich mich auf das Recht des Stärkeren (ha-ha): Ich beschloss, sie halt doch ohne Betäubung in die Kiste zu packen. Was folgte, war wenig ruhmreich für mich.
Ich – leicht gebückt – gehe langsam auf Shakti zu, flöte dabei in meiner zuckrigsten Stimmlage etwas, das ich für beruhigend halte. Shakti sieht darin jedoch eine Aufforderung zum Kampf: Ihr Blick fixiert den meinen. Vorerst geht sie auf Halbdistanz, weicht Schritt für Schritt zurück, gleichfalls leicht geduckt. Ich breite in Zeitlupe meine Arme aus, will sie in die Zimmerecke drängen. Shakti bleibt kurz stehen – macht eine Finte nach rechts, um dann pfeilschnell links an mir vorbeizuziehen. Ich – ZACK – werfe mich ihr in den Weg, schlage dabei unsanft auf dem Boden auf. Shakti zuckt zurück, springt dann über mich drüber und rast über den Parkett schlingernd in ein anderes Zimmer.
Ich rapple mich auf, justiere meine ausgerenkten Knochen und folge ihr. Shakti hat sich nicht etwa verkrochen: Breitbeinig steht sie mitten im Raum, wiegt sich leicht hin und her wie ein Boxer, bereit für den Infight. Wieder gehe ich langsam auf sie zu, wieder weicht sie Schritt für Schritt zurück. Als sie realisiert, dass direkt hinter ihr die Wand ist, guckt sie erst mich an, dann die Transportkiste neben der Tür – und entschliesst sich zur Attacke: Sie macht einen grossen Satz direkt auf mich zu, ich bekomme sie kurz zu fassen, sie aber windet sich aus meinem Griff, hackt mit einem wuchtigen Rechtsausleger ihre Krallen in meinen rechten Arm, zieht sich – sehr zu meinem Leidwesen – daran hoch, um über meine Schulter auf den Türrahmen zu springen. Der aber bietet nicht genug Halt, sie fällt herunter – direkt in die oben offene und glücklicherweise weich gepolsterte Transportkiste. Noch bevor sie wieder auf die Beine kommt, hechte ich zur Kiste und klappe den Deckel zu.
Nach Atem ringend betrachtete ich das Ergebnis meiner Bemühungen: Die Wohnungseinrichtung verwüstet, mein rechter Arm hing in Fetzen, als hätte ich in einen Aktenshredder gefasst, auch mein Gesicht hatte einiges abbekommen, und in der Transportkiste miaute meine Katze in Todesangst. Letzteres brach mir fast das Herz. Als ich blutüberströmt in der Praxis ankam, blickte die junge Dame hinter dem Empfangstresen auf, ihr Gesichtsausdruck verblüfft: «Sind Sie sicher, dass Sie hier richtig sind? Geht es Ihnen gut?» Ja, nein, also doch, erwiderte ich etwas überfordert, das sei schon richtig, ich hätte vor einer Woche einen Termin vereinbart. Als die Tierarzthelferin beim Anblick der blutverschmierten Katzentransportkiste ganz blass wird, beruhigte ich sie: «Keine Sorge, das ist alles meins, dem Tier geht es gut.»
Für solche Auftritte waren Shakti und ich in unserer Tierarztpraxis schon bekannt – Verbandszeug lag stets bereit, wenn Shakti einen Termin hatte.
Heute ist das nicht mehr so. Irgendjemand erzählte mir nämlich irgendwann, dass man panische Katzen durchaus zu handzahmen Patienten umpolen könne. Aha?
Also fingen wir an zu trainieren.
Heute hebe ich Shakti hoch, trage sie zur Transportbox, setze sie rein und mache den Deckel zu. Kein Problem. Ich weiss inzwischen auch, dass das jeweils klappt. Doch wer unsere Eintütvergangenheit nun kennt, versteht vielleicht, warum ich trotzdem jedesmal vorher scheissnervös bin 😛